by: Stephan W. Kallee
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TWI Ltd, Granta Park, Great Abington, Cambridge CB1 6AL, United Kingdom Tel: +44-1223-899000, Fax: +44-1223-892588
Paper published in 'Automobil Produktion', December 2004.
Reibrührschweißen wurde am TWI (The Welding Institute, www.twi.co.uk) im Jahr 1991 erfunden und inzwischen so weit entwickelt, daß es in der Serienproduktion eingesetzt wird. Zur Zeit sind 114 Organisationen vom TWI für den Einsatz des Verfahrens lizenziert. Dies sind vor allem Industriefirmen, die ihrerseits bereits mehr als 1125 Patentanmeldungen eingereicht haben.
Reibrührschweißen (Friction Stir Welding, FSW) wird unterhalb des Schmelzpunktes ausgeführt, indem ein sich drehendes Werkzeug in den Schweißspalt gepreßt wird. Das verschleißfeste FSW-Werkzeug hateinen profilierten Stift und eine Schulter mit einem größeren Durchmesser als der Stift ( Bild 1). Die Stiftlänge gleicht der erforderlichen Schweißnahttiefe. Das Werkzeug wird entlang der Schweißnaht verfahren, während die Schulter auf die Werkstückoberfläche gepreßt wird, um dendurch die entstehende Reibwärme plastifizierten Werkstoff zusammenzustau-chen.
Bild 1. Prinzip und Mikrogefüge des am TWI erfundenen Reibrührschweißverfahrens (Friction Stir Welding, FSW)
Bereits 1998 begann TWI, in einem vertraulichen Verbundprojekt mit den Firmen BMW, DaimlerChrysler, EWI, Ford, General Motors, Rover, Tower Automotive and Volvo die Eignung von reibrührgeschweißten Tailor Welded Blanks zumTiefziehen von Aluminium-Türinnenpaneelen zu erforschen und neue Konzepte für reibrührgeschweißte Gelenkwellen und Spaceframes zu entwickeln.
Als Folge der erfolgversprechenden Ergebnisse dieses Projekts werden das Reibrührschweißen und seine Variante, das Reibrührpunktschweißen (Friction Stir Spot Welding, FSSW), heute weltweit an verschiedenenStandorten in der Serienfertigung von Aluminium-Automobilbauteilen eingesetzt:
Ford in Detroit (USA) setzt einen reibrühr-geschweißten Mitteltunnel in der Produktion des Sportwagens Ford GT ein. Dies ist ein tragendes Bauteil, das die Steifigkeit des Chassis erhöht und außerdem alsdampfdichter Kraftstofftank dient ( Bild 2 und 3). Die Position des Tanks bietet gute Gewichtsverteilung und Crashsicher-heit. Die Flaschenschiff-artige Konstruktion des Kraftstofftanks wird erstmalig industriell eingesetzt: Die mechanischen Komponenten,einschließlich der Benzinpumpen, Füllstandssensoren und Dampfregelungs-ventile werden zunächst auf einer Stahlschiene angebracht. Dann wird ein einteiliger Tank durch Blasformen um diese Schiene erzeugt. Dieses Konzeptmaximiert das Füllvolumen und reduziert die Anzahl der Verbindungselemente zum Kraftstoffsystem.
Bild 2. Reibrührschweißen des Aluminium-Mitteltunnels des Ford GT
Bild 3. Der Mitteltunnel des Ford GT, in dem der Kraftstofftank untergebracht ist, ist reibrührgeschweißt
Tower Automotive in Grand Rapids (Michigan, USA) produziert Spurstangen für Lincoln Town Cars, die als verlängerte Limousinen eingesetzt werden. In diese werden hochfeste Hinterachsen eingebaut, während der Rest derhinteren Federung unverändert bleibt. Tower Automotive verschweißt dafür mit zwei Spindeln beidseitig gleichzeitig zwei identische Strangpreßprofile. Dies Verfahren führt zu hervorragenderDauerschwingfestigkeit.
Sapa in Finspång (Schweden) benutzt eine FSW Maschine mit zwei FSW-Schweißköpfen, um Aluminiumhohlprofile gleichzeitig von beiden Seiten zu schweißen. Aus diesen werden die umklappbaren Rücksitze der VolvoV70 Kombis hergestellt. Die Schweißmaschine hat ein karussellartiges Lade- und Entladesystem, das automatisch von einem Knickarmoboter bestückt wird.
Mazda in Hiroshima (Japan) benützt Reibrührpunktschweißen für die hinteren Türen und die Motorhaube des Mazda RX-8. Die Haube dieses Sportwagens hat eine Aufprallenergie-absorbierende Struktur, um dieAuswirkungen von Unfällen mit Fußgängern zu verringern. Mazda setzt dieses Verfahren ein, um Schweißspritzer zu vermeiden und um den Stromverbrauch im Vergleich zum Widerstandspunktschweißen zu verringern.
Showa Denko in Oyama City (Japan) verschweißt stranggepreßte Endstücke mit ø20-30 mm Rohren, um Spurstangen herzustellen. Das Gummi dieser Federbeinendstücke kann vor dem Reibrührschweißenvulkanisiert werden, weil es während des Schweißens nur zu geringer Hitzeentwicklung kommt.
Simmons Wheels in Alexandria (Australien) hat eine neue Methode entwickelt, um Felgenbänder aus gewalzten Aluminiumblechen einer AlMgSi Legierung herzustellen. Aus dieser wird zuerst eine zylindrische Röhre mit einerFSW-Längsnaht zusammenge-schweißt, die dann in mehrere Stücke zersägt wird. Nach dem Schweißen können diese dann spanlos umgeformt und abschließend wärmebehandelt werden. Die Firma hilft jetzt UTAlloy Works in Guandong (China), die FSW-Produktion von Leichtmetallfelgen hochzufahren ( Bild 4-6).
Bild 4. UT Alloy Works in China schweißen aus gewalzten Alumi-niumblechen einen FSW Zylinder ...
Bild 5. ... der anschließend mit dem Spinformverfahren umgeformt wird (FSW-Naht unten im Bild) ...
Bild 6. ... und zu einem dreiteiligen Rad für getunte Sportfahrzeuge zusammengeschraubt wird
Hydro Aluminium in Håvik (Norwegen) hat eine innovative Technik zum Verbinden von zweiteiligen Aluminiumfelgen erfunden. Mehrere Konstruktions-varianten wurden entwickelt, um gegossene Aluminiumnaben mit spin-geformtenFelgenbändern entweder im Stumpf- oder im Überlappstoß zu verbinden.
DanStir in Kopenhagen (Dänemark) kollaboriert jetzt mit einem führenden norwegischen Hersteller von Leichtmetallrädern. DanStir verwendet das FSW Verfahren für die Herstellung von Aluminiumrädern ausspin-geformten Felgenbändern und gegossenen Bauteilen. Dies reduziert das Gewicht eines Rades um 20-25% und gibt dem Automobilzulieferer einen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern. Im Anschluß an die Entwicklungsphasewird DanStir bei der Industrialisierung der Technik helfen, an der Konstruktion der Produktionsmaschine teilnehmen und die Inbetriebnahme und Serienfertigung unterstützen.
Riftec in Geesthacht (Deutschland) bietet Auftragsfertigung und Ingenieursleistungen an, z.B. bei der Installierung von Reibrührschweißrobotern in Automobilfertigungslinien. In einem Automobilbau-projekt haben dieRiftec-Ingenieure reibrührge-schweißte Musterbauteile für eine Studie der Firma Inpro in Berlin erstellt.
Friction Stir Link in Waukesha (Wisconsin, USA) ist ein auf die Automobilindustrie spezialisiertes Dienstleistungsunternehmen. Die Angebote umfassen FSW Verfahrensentwicklung, Technologietransfer, Serienfertigung in kleinen undmittleren Losgrößen und FSW Systemintegration ( Bild 7-9).
Bild. 7. CNC gesteuerte Reibrühr-punktschweißzange an einem Knickarmroboter bei der Firma Friction Stir Link in Detroit
Bild. 8. Die Firma Friction Stir Link bietet Vorserien-entwicklung, Systemintegration und Lohnauftrags-schweißungen von Aluminium Spaceframes an
Bild. 9. Die Firma Friction Stir Link fügt tiefgezogene Karos-seriebauteile durch Reibrühr-punktschweißen
TWI (The Welding Institute, www.twi.co.uk) hat eine überraschende Anzahl von Fügeverfahren für das Verkehrswesen entwickelt. Es hat seinen Hauptsitz in der Nähe von Cambridge (Großbritannien) und blickt aufeine lange Zusammenarbeit mit der Automobil- und Motorsportindustrie zurück. TWI stellt seine weltberühmte Sach- und Fachkenntnis ausschließlich seinen industriellen Mitgliedern zu Verfügung. Es unterstütztinternationale Fahrzeughersteller und Zulieferer während der Entwicklung, dem Serienanlauf und bei der industriellen Anwendung von Schweißprozessen.
Mit zunehmendem internationalen Wettbewerb und dem Ziel, das Fahrzeuggewicht klein zu halten, besteht insbesondere bei Automobilzulieferern der Wunsch nach Lizenzen für patentierte aber kostengünstige Fertigungsverfahrenwie dem Reibrührschweißverfah-ren. Daher verfolgt das TWI die Strategie, seine industriellen Mitglieder beim Einsatz von innovativen Fertigungs-verfahren zu unterstützen, die entweder die Fertigungs-kosten reduzierenoder die Funktionalität verbessern.
Das Grundlagenforschungsprogramm des TWI besteht aus einer Reihe von anwendungsnahen Forschungsprojekten, die TWI's streng vertrauliche Auftragsforschung untermauern. Industrielle Mitglieder haben bereits Zugriff auf 20 Berichte desGrundlagenforschungsprogramms zum Thema Reibrührschweißen. Das Programm hat ein Budget von mehreren Millionen Euro pro Jahr und zielt darauf ab, der Industrie produktionsrelevante Kenntnisse bereitzustellen.
Zwei Projekte in TWI's derzeitigem Grundlagenforschungsprogramm beschäftigen sich mit dem Reibrührschweißen: Im ersten Projekt werden Reibschweißprozesse für die Reparatur und handgehalteneReibrührschweiß-maschinen für Dünnblechanwendungen entwickelt. Im zweiten Grundlagenforschungsprojekt wird die Abhängigkeit zwischen Spindeldrehzahl, aufgebrachter Kraft und der Materialerweichung durchReibungswärme untersucht. Später soll außerdem die Gefügeumwandlung während der Reibrührmaterialbearbeitung verschiedener Legierungen genauer untersucht werden (Friction Stir Processing, FSP). Es wurdebereits demonstriert, daß sich das feinkörnige FSP-Mikrogefüge von Aluminiumlegierungen besonders gut durch superplastische Formgebung umformen läßt.
Jetzt startet am TWI gerade ein neues Verbundprojekt, in dem Werkzeuggeometrien, Verfahrensparameter und Toleranzen für das Reibrühr punkt schweißen von verschiedenen Leichtmetallen optimiert werden. Die Eignung des Reibrührpunktschweißens, durch Beschichtungen, Klebstoffe und Dichtmittel hindurchzuschweißen wird untersucht. Außerdem werdenDaten für die Spezifizierung von Schweißmaschinen und Robotern erfaßt.
Stephan Kallee ist Sector Manager in TWIs Mitgliedschaftsabteilung ( stephan.kallee@twi.co.uk). Er kon-zentriert sich auf den Fahrzeugbau und ist davon überzeugt, daß das Reibrührschweißen die Automobil-montage drastisch verändernwird. Dies fing mit den Kleinserien der Zulieferer an, und wird jetzt von mehreren Firmen zeitgleich im Karosserierohbau industrialisiert.