„Netto-Null“ (oder englisch „Net Zero“) bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen der Menge der produzierten und der der Atmosphäre entzogenen Emissionen zu erreichen, um die globale Erwärmung zu reduzieren.
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die durch den Menschen verursachte Produktion von Treibhausgasen, wie z.B. Kohlendioxid, das Gesamtausmaß der globalen Erwärmung bestimmt. Die Verringerung dieser Treibhausgasemissionen ist der Schlüssel zur Verhinderung eines katastrophalen Klimawandels. Infolgedessen haben sich Regierungen auf der ganzen Welt im Rahmen des Pariser Abkommens, das 2016 unterzeichnet wurde, darauf geeinigt, anzustreben, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
Was bedeutet es, Netto-Null zu erzielen?
Netto-Null zu erzielen, bedeutet, negative Emissionen auszugleichen, indem Emissionen aus der Atmosphäre entfernt werden, um Kohlenstoffneutralität zu erreichen.
Dies kann durch die Metapher einer Wanne veranschaulicht werden, die mit Wasser gefüllt wird. Sie können entweder den Wasserhahn zudrehen (Emissionsreduzierung) oder den Stöpsel entfernen und das Wasser ablassen (Entfernung der Emissionen aus der Atmosphäre), um ein Überlaufen der Wanne zu verhindern. Netto-Null ist ein Äquivalent dafür, dass die aus dem Wasserhahn kommende Wassermenge gleich der durch den Abfluss abgelassenen Menge ist.
Das Netto-Null-Konzept lässt zu, dass einige Emissionen über Null liegen, solange sie an anderer Stelle ausgeglichen werden, um global Netto-Null-Kohlenstoffemissionen zu erreichen. Anstatt zu versuchen, die Menge der Kohlenstoffemissionen auf Null zu reduzieren, erlaubt das Netto-Null-Emissionsziel, in einigen Gebieten mit positiven statt negativen Emissionen zu arbeiten. Dadurch können die Emissionen in Sektoren, in denen es schwierig ist, Netto-Null-Emissionen zu erreichen, wie z.B. im Luftverkehr, durch die Emissionsreduzierung in anderen Sektoren, in denen es einfacher ist, den Energieverbrauch zu reduzieren oder alternative Energien einzusetzen, kompensiert werden.
Was ist der Unterschied zwischen Nullenergie und Netto-Null?
Die Begriffe „Nullenergie“ und „Netto Null“ werden in ähnlicher Weise verwendet, aber sie sind nicht austauschbar, da es einen Unterschied zwischen den beiden Ansätzen gibt:
Netto-Null bedeutet, die vor Ort verbrauchte Energie durch andere Mittel auszugleichen. Wenn ein Projekt zum Beispiel 250.000 kBTU Elektrizität und 250.000 kBTU Erdgas verbraucht, müsste es vor Ort 500.000 kBTU erneuerbare Energie erzeugen, um eine Netto-Null-Bilanz zu erreichen.
Im Gegensatz dazu definiert das britische Energieministerium Nullenergie als die Notwendigkeit, vor Ort so viel erneuerbare Energie zu produzieren, wie für deren Erzeugung verbraucht wird. Dazu gehört nicht nur die Energie, die verbraucht wird, sondern auch die Energie, die für den Transport und die Lieferung von Elektrizität oder Erdgas benötigt wird. Faktoren wie Übertragungsverluste und die Effizienz der Energieerzeugung müssen berücksichtigt werden, wobei jede Energiequelle einzeln aufzuschlüsseln ist. In diesem Fall entspricht eine Maßeinheit Elektrizität nicht einer Maßeinheit Erdgas, da es Unterschiede bei der Erzeugung bzw. Förderung sowie beim Energietransport gibt.
Netto-Null ist weniger komplex und leichter zu erreichen als Nullenergie, da es weder Unterschiede bei fossilen Brennstoffen noch den Energieaufwand für Beschaffung und Lieferung berücksichtigt. Dies ermöglicht es einigen Branchen, mit höherem Brennstoffverbrauch zu arbeiten, solange dieser von anderen Branchen ausgeglichen wird.
TWI und Netto-Null
TWI arbeitet seit Jahren sowohl mit der Industrie als auch der akademischen Welt zusammen und unterstützt Regierungsinitiativen, die eine direkte Auswirkung auf die Entwicklung in Richtung Netto-Nullbilanz haben. Unsere ingenieurwissenschaftliche Arbeit schlägt eine Brücke zwischen der industriellen Anwendungsentwicklung und der universitären Grundlagenforschung. TWI nimmt zum Beispiel eine Führungsrolle bei der Entwicklung und Anwendung von Fügeverfahren in der industriellen Batterieherstellung für die Elektromobilität ein und ist in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Universitäten richtungsweisend bei der diesbezüglichen Grundlagenforschung.
TWI-Innovationsnetzwerk (TWIIN)
Das TWI-Innovationsnetzwerk (TWIIN) schafft Partnerschaften, um technische Fortschritte auf Spezialgebieten in einer Vielzahl von Industriesektoren zu ermöglichen, um den kommerziellen Anforderungen gerecht zu werden und die nächste Generation von Industrieexperten auszubilden. Dazu gehört auch die Schaffung von Innovationszentren, deren Arbeit sich direkt auf die Entwicklung hin zu einer Netto-Null-Bilanz auswirkt.
TWI hat eine Absichtserklärung mit Digital Catapult unterzeichnet, ein neues Industrial Net Zero Innovation Centre (INZIC) am Hauptsitz in der Nähe von Cambridge einzurichten. Das Zentrum wird sich für eine verbesserte Nachhaltigkeit und Effizienz einsetzen, um das Ziel „Net Zero“ (deutsch „Netto-Null“) zu erreichen.
Weitere Informationen gibt es in unserer englischsprachigen Pressemitteilung:
“Industrial net zero hub to be established at TWI“
Wie kann Netto-Null erreicht werden?
Um eine Netto-Null-Bilanz zu erreichen, müssen im Vereinigten Königreich die Emissionen um 100% des Niveaus von 1990 reduziert werden. Dies kann auf verschiedene Weise durch Maßnahmen erreicht werden, die sowohl von Einzelpersonen als auch von der Industrie ergriffen werden. Das Ziel gilt für alle Industriesektoren, von der Luft- und Raumfahrt bis zur Energieerzeugung, und lässt sich grob in vier Hauptmethoden unterteilen:
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Entfernung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre
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Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden
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Elektrifizierung des Verkehrs
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Dekarbonisierung der Stromerzeugung
Der Unterschied zwischen diesen Ansätzen besteht darin, dass der erste anstrebt, die vorhandene Menge an Treibhausgasen durch Wiederaufforstung oder durch Verfahren wie der Direct Air Capture (DAC) zur Abtrennung von CO2 aus der Luft zu reduzieren, während die anderen drei darauf abzielen, die Menge der erzeugten Treibhausgase zu verringern oder auszugleichen.
Eine Netto-Nullbilanz kann nur erreicht werden, wenn die erzeugte Kohlenstoffmenge reduziert wird und der Atmosphäre Kohlenstoff entzogen wird. Das Pflanzen von Bäumen, die Kohlenstoff absorbieren und speichern, ist ein einfaches Mittel, um letzteres zu erreichen. Ergänzende Methoden sind die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS), um Kohlenstoffemissionen aus der Luft abzutrennen und im Boden zu speichern.
Die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden wird einen großen Einfluss auf das Erreichen der Netto-Nullbilanz haben. Im Vereinigten Königreich bedeutet dies in erster Linie, Kohlenstoff nicht mehr zum Heizen zu verwenden, aber andere Nationen werden je nach Klima andere Fragen wie das Kühlen von Gebäuden durch Klimaanlagen untersuchen. Alternative Energiequellen können bei diesen Problemen ebenso helfen wie die Verbesserung der Isolierung und Energieeffizienz in Gebäuden.
Der Verkehr ist die größte Einzelquelle von Treibhausgasemissionen, und diese nehmen weiter zu. Der Ersatz konventioneller Benzin- und Dieselfahrzeuge durch Elektrofahrzeuge (Elektromobilität) ist ein deutliches Beispiel dafür, wie der Verkehr umweltfreundlich gestaltet werden kann. Emissionen aus dem Verkehr können auch durch Mittel wie Leichtbau reduziert werden, d.h. durch die Verwendung leichterer Komponenten, um den Treibstoffverbrauch zu senken.
Die Dekarbonisierung der Stromerzeugung erfordert den verstärkten Einsatz von erneuerbaren und sauberen Energiequellen. Für das Vereinigte Königreich betrifft dies vor allem die Nutzung der Windkraft. Aktuelle Zahlen zeigen, dass Großbritannien und Nordirland über eine Offshore-Windkapazität von 8 GW verfügen, aber es wird geschätzt, dass diese in den nächsten 30 Jahren um 5-10 GW pro Jahr erhöht werden muss, um die Ziele bis 2050 zu erreichen.
Welche Länder haben sich zu Netto-Null verpflichtet?
Bis Juni 2020 haben zwanzig Länder und Regionen Netto-Null-Ziele verabschiedet. Dazu gehören Bhutan, Costa Rica, die Europäische Union (insbesondere Dänemark, Finnland, Frankreich, Österreich, Portugal, Schweden, Slowenien und Ungarn), Fidschi, Island, Japan, die Marshall-Inseln, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz, Singapur und das Vereinigte Königreich.
Es gibt einige bemerkenswerte Abwesenheiten auf dieser Liste, darunter die Vereinigten Staaten, Australien und die arabischen Staaten des Persischen Golfs. Kleinere Volkswirtschaften in diesen Ländern haben sich jedoch dem Ziel einer Netto-Nullrunde verschrieben, wie z.B. Kalifornien, New York und Hawaii in den USA sowie New South Wales, Victoria und Queensland in Australien.
Die Nationen, die sich zu einer Netto-Nullbilanz verpflichtet haben, machen 17% des globalen Bruttoinlandprodukts aus, doch das reicht nicht aus, das weltweite Ziel zu erreichen. Es ist daher zu hoffen, dass mehr Nationen dazu bewegt werden, sich zu verpflichten. Sie können durch Technologieentwicklung und Innovationen sowie durch den Führungsstil und die Anwendung von politischem Druck, z.B. durch ein Carbon Border Tax Adjustment, beeinflusst werden, bei dem Steuern auf Importe aus Ländern ohne CO2-Abgaben erhoben werden.
Industrie-Projekte am TWI
Die Arbeit des TWI mit unseren industriellen Mitgliedern steht häufig im Zusammenhang mit dem Vorstoß in Richtung Netto-Null, da unsere Experten aufgefordert werden, branchenübergreifende Unterstützung anzubieten.
Wir haben den Automobilbau und die Baufahrzeugindustrie bei Entwicklungen für die Elektrifizierung als umweltfreundlichere Alternative zu Verbrennungsmotoren unterstützt. Dazu gehört viel Arbeit bei der Entwicklung von Batterielösungen für Elektrofahrzeuge.
Unsere Arbeit im Bereich der Elektrifizierung wird durch die Forschung und Entwicklung im Bereich der Werkstoffe und des Leichtbaus für Fahrzeughersteller ergänzt. Leichtere Fahrzeuge benötigen weniger Energie zum Antrieb, und unser Aluminium-Know-how wurde von der Industrie umfassend genutzt. Die Leichtbauweise ist auch ein wesentlicher Vorteil unserer Arbeit mit dem Surflow-Projekt, das den Ersatz von Bordnetz-Systemen durch eine zusammengesetzte Datenautobahn für die Datenübertragung ermöglicht. Im Marinesektor hat TWI im Rahmen des Fibreship-Projekts an der Entwicklung von Verbundwerkstoffen für den Schiffbau mitgearbeitet.
Der Energiesektor ist ein weiterer Bereich, in dem das TWI bei der Förderung von Arbeiten, die Umweltvorteile bieten sollten, Einfluss genommen hat. Diese Arbeit reicht von der Entwicklung geothermischer Energielösungen bis zur Bewältigung der Herausforderungen der Offshore-Windenergie und der Förderung sauberer und effizienter Kernenergie durch kleine modulare Reaktoren.
Regierungsinitiativen
Die britische Regierung hat eine Reihe industrieller Prioritäten auf der Grundlage einer umfassenderen britischen Industriestrategie hervorgehoben. Diese Trendthemen zielen nicht nur darauf ab, die britische Industrie in Schlüsselbereichen voranzubringen, sondern umfassen auch Initiativen, die sich direkt auf die Netto-Nullbilanz auswirken, wie z.B. die Elektrifizierung.
Abgesehen von nationalen Regierungsinitiativen hat das TWI auch Unterstützung auf einer eher lokalen Ebene gezeigt, einschließlich eines kürzlich gestarteten, finanzierten Innovationsentwicklungsprogramms für KMUs im Tees Valley, das darauf abzielt, innovative Produkte auf den Markt zu bringen.